Ethische Fragen und Corona

Im vorherigen Artikel habe ich mich mit Ethik und moralischem Handeln im Allgemeinen beschäftigt. Nicht nur in unserem (bis dato) gewohnten Leben, sondern insbesondere in Krisensituationen ist ein Blick auf die Gesamtsituation wichtig. Welche übergreifenden Auswirkungen hat Dein Denken und Tun - auch in Zeiten der Corona-Krise?

 

Jeder Mensch, jede Gruppe hat ihre eigene Sichtweise. Zum einen geprägt durch Lebenserfahrungen, Glaubenssätze, Medien, Meinungen, das Fachgebiet, die Identität oder der Charakter einer Nation. Zum anderen aber durch Egoismus, wirtschaftliche oder politische Interessen.

 

Der Inhaber eines Fastfood-Ladens wird Dir wahrscheinlich etwas anderes erzählen über gesunde Ernährung als ein Arzt. Der Chef eines multinationalen Unternehmens hat eine andere Sichtweise als ein Entwicklungshelfer. Ein Optimist betrachtet die gleiche Situation anders als ein Pessimist.

Das liegt in der Natur der Sache, das wird sich auch nicht ändern.

 

Dennoch ist es wichtig, dass wir ethische Gesichtspunkte nicht außer acht lassen. Nicht nur bei unserem alltäglichen Tun, sondern gerade jetzt, wo Entscheidungen erhebliche gesamtgesellschaftliche Auswirkungen haben.

 

Dazu ein paar gedankliche Anregungen und Fragen:

Du hast fünf Atemmasken zu Hause und beschließt, diese für Dich und Deinen Partner/in zu behalten, statt sie an ein Altenheim zu spenden. Eine Pflegerin arbeitet dort deshalb ohne Maske, infiziert einen Bewohner mit dem Corona-Virus, der als Folge stirbt. War Dein Verhalten ethisch ok?

Durch die diversen Maßnahmen werden im Laufe der nächsten 6 Monate 500.000 Menschen in Deutschland arbeitslos (Anmerkung: in den USA haben in nur drei Wochen über 16 Millionen (!!) ihre Stelle verloren). 1% davon  - das sind 5.000 Haushalte - verliert ihr Zuhause, da sie die Kreditraten nicht mehr abbezahlen können und die Immobilie zwangs-versteigert wird. Im Gegenzug wurden 10.000 Menschen weniger infiziert. Waren die Einschränkungen im Gesamtbild angemessen?

Aktuell ist ein Großteil der Intensivbetten noch frei. Deutschland beschließt, 1.000 Patienten aus stark betroffenen Ländern wie Italien oder Spanien aus Solidaritätsgründen zur Behandlung aufzunehmen. Dadurch können aber einige sonst geplante Operationen nicht durchgeführt werden und Menschen leiden. Oder wir geraten selbst in einigen Wochen in einen Engpass, sollte die Corona-Welle nach oben gehen. Wie urteilst Du aus ethischen Gesichtspunkten?

Durch die riesigen Staatsausgaben wird beschlossen, dass die Renten in den nächsten fünf Jahren nicht erhöht werden (schau mal, was bis dato schon alles möglich war ....). Einerseits wurden Betriebe und Selbständige vor der Insolvenz gerettet. Andererseits hat es zur Folge, dass sich die Altersarmut stärker ausbreitet. Ethisch korrekt?

Wir haben kein Problem damit, wenn sich Menschen durch überhöhten Alkoholkonsum schädigen, durch Heroin ins Niwana befördern oder beim Basejumpen in hohe Gefahr bringen. Ist es dann ethisch vertretbar, älteren Menschen das Selbstbestimmungsrecht abzusprechen, wenn sie die vermeintlichen Gefahren des öffentlichen Lebens auf sich nehmen?

Laut einer Schlagzeile stirbt eine 12-jährige in Belgien. Ist das schlimmer als wenn ein 75-jähriger in Köln stirbt (obwohl wir sonst keine Hintergrundgrundinformationen über die Personen haben)?

Selbständige verlieren ihre Existenz und sind für den Rest des Lebens Hartz4-Empfänger. Oder nehmen sich das Leben, weil sie aus ihrer finanziellen Lage keinen Ausweg mehr sehen. 200 Corona-Tote weniger, 175 Selbstmorde mehr - alle mit unterschiedlicher Lebensperspektive. Wie bewerten wir diese ethische Frage?

 

Nein, ich bin kein zynischer oder gefühlskalter Mensch, den Schicksale oder Tote nicht berühren. Kein kühl rechnender Mathematiker nach dem Motto "Leben/Auswirkung ABC ist mehr wert als Leben/Auswertung XYZ".

Ethische Entscheidungen können manchmal sehr schwierig sein. Wer moralisch klare Grundsätze hat, kann diese leichter treffen. Nur aus einer Perspektive heraus zu urteilen, z.B. einzig nach medizinischen oder wirtschaftlichen Aspekten, führt zu keinem optimalen Ergebnis. Es ist kein Entweder-Oder, sondern ein Sowohl-als-auch.

 

 

Entwickle im Rahmen Deiner Selbstführung Deine ethische Haltung

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